Barrierefreies Internet
Umgelegt auf das Internet, bedeutet Barrierefreiheit, dass auf Informationen, die auf Webseiten bereitstehen, ohne Schwierigkeiten zugegriffen werden kann. Der Fachmann spricht üblicherweise von Accessibility. Im Alltag wird Barrierefreiheit vor allem mit Einrichtungen für Menschen mit körperlichen Behinderungen in Verbindung gebracht. Barrierefreiheit bedeutet jedoch wesentlich mehr: Handeln ohne Hindernisse. Ein Vorteil, der jeden anspricht.
Web Accessibility Initiative
Die Web Accessibility Initiative (WAI) wurde 1997 vom World Wide Web Konsortium (W3C) gegründet, um die Anforderungen für Barrierefreiheit im gesamten Internet zu definieren. Hierfür wurden Kriterien für die Webseitenprogrammierung sowie für die Inhaltsarchitekturen, die Layoutgrundlagen und die Verwendung von Technik festgelegt. Die Richtlinien zur barrierefreien Seitengestaltung gelten als elementarer Standard, auf dem viele weitergehende Richtlinien aufbauen.
Rot-Grün-Sehschwäche
Eine in der Bevölkerung weit verbreitete Sehbehinderung ist die sogenannte Rot-Grün-Sehschwäche. Diese Einschränkung hat zur Folge, dass die Betroffenen zwischen den zwei Farbtönen nicht differenzieren können. Daher sollten weder rot noch grün als kritische Erkennungsmerkmale eingesetzt werden und auch in Grafiken und Buttons vermieden werden. Zur Überprüfung kann man die eigene Webseite immer von einem Farbblinden testen lassen oder ein Rot-Grün-Schwäche Simulations-Tool benutzen.
Allgemein ist für die Lesbarkeit auch zu beachten, dass die Informationen in einem hohen Kontrast zum Hintergrund und in angemessener Größe dargestellt sind.
Alternative Texte für Grafiken
Die Alternativtexte (auch ALT-Texte genannt) für Grafiken spielen vor allem für blinde Nutzer eine große Rolle, da diese die besuchten Webseiten oft mit einem so genannten „Screen Reader“, also einem Bildschirmleseprogramm, vorgelesen bekommen. Da sie keine Möglichkeit haben, Bilder oder Grafiken anzusehen, sollte der „Screen Reader“ den Inhalt und die Bedeutung der Visualisierungen durch einen Alternativtext beschreiben. Im Quellcode kann jeder Grafik mit Hilfe des „ALT Attributs“ ein solcher Text beigefügt werden. Wenn kein Alternativtext angegeben wurde, gibt der Screen Reader häufig lediglich die Angabe “Grafik” aus.
Wenn eine Grafik als Link gesetzt wurde, sollte eine präzise Textbelegung mit dem Ziel des Links und dem Sinn der Grafik gewählt werden.
Bei den meisten Symbolen kann die Bedeutung in ein bis drei Worten erklärt werden. Wenn allerdings eine längere Beschreibung notwendig ist, beispielsweise bei Fotos oder Karikaturen, kann statt dem Alternativtext auch ein Beschreibungslink (Engl.: D-Link [Description-Link]) eingebunden werden. Dieser führt zu einer gesonderten Seite, wo die Grafik ausführlich erläutert wird.
Zur Navigation auf Webseiten werden häufig „Image Maps“ – Grafiken mit verschiedenen klickbaren Bereichen – verwendet. Diese Bereiche, meist Menüs oder Listen, kann der „Screen Reader“ nur über ihren Titel erfassen. Die einzelnen Titel sollten daher gewissenhaft ausgewählt werden, um einen nachvollziehbaren Überblick über die Navigation zu geben. Da jedoch manche ältere „Screen Reader“ Modelle diese Image Maps überhaupt nicht entziffern können, ist zusätzlich eine parallele „Nur Text“-Seite zu empfehlen.
Layout
- Bei der Verwendung von Tabellen ist eine sinnvolle und systematische Anordnung der Zelleninhalte von großer Bedeutung. Es ist zu beachten, dass ein „Screen Reader“ immer nur eine einzige Tabellenzelle erfassen kann und dass Tabellen deswegen für Blinde ohnehin schon schwierig zu entziffern sind. Tabellen können von Sehbehinderten am besten verstanden werden, wenn die Zellen Zeile für Zeile von links nach rechts gelesen werden können und sich daraus ein Sinn ergibt. Auch über solche Umstände müssen sich Webmaster im Klaren sein. Zusätzlich zu beachten ist die Definition der Breite einer Tabelle, da es problematisch ist, wenn diese breiter angelegt ist als die individuelle Bildschirmauflösung des Benutzers. Vorzugsweise sollte die Breite ausschließlich über einzelne Zellen anstatt über die gesamte Tabelle definiert werden.
- Zum Einrücken oder zum Schaffen von Abständen zwischen Textteilen werden oft transparente Grafiken eingesetzt. Diese sogenannten „Dummies“ sollen unsichtbar sein und werden deswegen nicht mit einem Alternativtext belegt. Für Sehbehinderte unterbrechen diese Dummies jedoch weiterhin den Lesefluss und geben keine Aussage darüber, ob sich wichtige Informationen hinter der Grafik befinden. Als Lösung sollte auf transparente Grafiken verzichtet werden oder sie sollten alternativ sinnvolle Namen, wie „layout.jpg“ erhalten. Hierdurch kann zumindest die Zweitinformation des Dateinamens die Wichtigkeit der Grafik angeben.
- Für die meisten Nutzer ist es ausreichend, eine Webseite durch sichtbare Überschriften zu gliedern. Allerdings werden Absätze in der Praxis oft nur durch unterschiedliche Textgrößen von der jeweiligen Überschrift gekennzeichnet. Einem Benutzer, der auf den Screen Reader angewiesen ist, wird dadurch die Struktur von Webseiten vorenthalten. Vor allem bei Seiten mit langem Inhalt ist es wichtig, auch für sehbehinderte Menschen eine Übersicht zu schaffen. HTML verfügt über Überschriften-Befehle („Heading-Tags“) zum deutlichen Auszeichnen der Überschriften (h1 bis h6), die auch der „Screen Reader“ erkennt. Durch die Benutzung dieser Befehle kann auch Blinden der Aufbau der Seite vermittelt werden.
- Ein „Screen Reader“ kann Webseiten mit vielen Frames nur schwer für den Benutzer übersichtlich widerspiegeln, da immer nur einer der Frames gleichzeitig betrachtet werden kann. Wenn Webmaster auf den Einsatz von Frames nicht verzichten können, so sollte zumindest jedes Frame einen aussagekräftigen Titel bekommen, wie „Navigation“ oder „Menü“. Zusätzlich sollte für Browser, die keine Frames unterstützen, das „<noframes>-Tag“ verwendet werden, um den Inhalt zu beschreiben.
Motorisch bedingte Barrieren
Bei der Motorik stehen die Muskeln mit dem Gehirn in Interaktion. Einige Menschen in unserer Gesellschaft sind von einem physiologischen Defizit betroffen, welches durch eine Schädigung des Bewegungsapparates oder auch durch eine chronische Krankheit zustande kommt. Um diesen Menschen trotzdem die Benutzung des Internets zu ermöglichen, müssen einige Maßnahmen in der Webseitenerstellung ergriffen werden.
Schaltflächen
Motorische Einschränkungen bedeuten meist weniger Kontrolle der Bewegungen, darunter auch die Bewegung der Maus. Kleine Flächen zum Klicken sind generell für alle Menschen lästig. Aber vor allem, wenn zusätzlich eine Beeinträchtigung besteht, kann dies individuell für den betroffenen Nutzer eine ruckartige oder schleppende Mausbewegung bedeuten. Es ist daher wichtig, dass sich relevante Elemente der Navigation im selben Bildschirmbereich befinden. Bei Links sollte der klickbare Bereich eine angemessene Größe haben.
Tastaturbedienung
Für Nutzer mit eingeschränkten motorischen Bewegungen ist die Maus oft unbrauchbar, so dass die Tastatur zur Navigation durch die Webseite verwendet werden muss. Damit alle Funktionen auch mit der Tastatur ausführbar sind, müssen Webmaster bei der Programmierung einige Dinge beachten. Zum Beispiel sollten Image Maps immer so eingebunden werden, dass sie vom Browser erschlossen werden können, anstatt nur als serverseitige Funktion in der Webseite eingebaut zu sein. Vor kurzem wurde die Möglichkeit, die Tastatur als „Maus-Ersatz“ zu nutzen, auch bei Java und ActiveX eingeführt.
Formulare
Beim Umgang mit Formularen bestehen noch größere Anforderungen an die Motorik. Formulare werden auch für die Navigation verwendet, zum Beispiel in Form einer Auswahlliste, einem Drop-Down-Menü oder einem Radio-Button. Vor allem die Steuerung des Radio-Buttons lässt sich mit der Tastatur allein kaum verwirklichen. Diese durch Formulare entstandenen Barrieren sollten für motorisch Eingeschränkte vereinfacht werden, indem bei Eingabefeldern möglichst alle Voreinstellungen schon eingetragen sind. Bei Eingabe einer E-Mail-Adresse ist es beispielsweise nützlich, wenn das @ schon im Feld oder zwischen zwei getrennten Feldern steht. Denn ein solcher Mehrfachtastendruck ist für viele schon ein unüberwindbares Hindernis.
Für sehbehinderte Menschen trifft allerdings eher das Gegenteil zu, da sie unter Umständen nicht merken, wenn schon Eintragungen im Formular bestehen. WAI-Richtlinien empfehlen, in Formularen eine Check-Box anzubringen, über die angegeben werden kann, ob der Benutzer ein ausgefülltes oder ein unausgefülltes Formular möchte. Zusätzlich sollte für Blinde beachtet werden, dass die Beschriftungen von Eingabefeldern unmittelbar in deren Nähe sind, um Verwechslungen durch den Screen Reader zu vermeiden.
Weitere Barrieren
Neben dem Sehvermögen und dem Bewegungsapparat können auch alle anderen Sinne unter Einschränkungen leiden. Um das Internet auch für Menschen mit geschädigtem Hörvermögen, Sprachproblemen oder kognitiven Schwierigkeiten zugänglich und nutzerfreundlich zu gestalten, gibt es nützliche Richtlinien von der WAI.
Auditiv bedingte Barrieren
Wenn Webmaster akustische Informationen, wie Interviews oder andere gesprochene Audiodateien auf ihren Webseiten verwenden, sollten immer auch Textalternativen für Menschen mit eingeschränktem Hörvermögen angeboten werden (Transcript). Die Sprache ist für die meisten Menschen zwar ein intuitives Kommunikationsmittel, jedoch stellen diese akustischen Mittel eine unüberwindbare Barriere für Hörbehinderte dar und müssen diesen mit Hilfe von schriftlichen Erläuterungen zugänglich gemacht werden.
Sprachlich bedingte Barrieren
Als multimediales Kommunikationsmittel wird das „World Wide Web“ die Sprache in Zukunft immer mehr in die Nutzung integrieren. Es wird vermutlich noch einige Jahre dauern, bis interaktive Spracheingabe regulär zwischen Mensch und Maschine genutzt wird. Trotzdem muss schon jetzt darauf geachtet werden, dass bei Bereitstellung der Spracheingabe auch immer eine Texteingabe als Alternative vorhanden ist.
Kognitiv bedingte Barrieren
Generell sind in den WAI-Richtlinien nur Kriterien festgesetzt, die physische Einschränkungen betreffen. Kognitive Barrieren, die durch geistige Fähigkeiten bedingt sind, müssen jedoch genauso bei der Webseitenerstellung berücksichtigt werden. Denn diese können jeden Menschen betreffen, wenn auch nur unterschwellig. Komplexe Strukturen und uneinheitliche Navigationsführung machen grundsätzich jedem Nutzer den Zugang zu Angeboten im Web schwer.
Heutzutage wird das Internet von „durchschnittlichen“ Personen, darunter auch solche mit unterdurchschnittlicher Intelligenz, genutzt, und nicht mehr nur von Programmierern, Wissenschaftlern und technikaffinen Personen. Daher ist es wichtig, die Inhalte einer Webseite für diese breite Masse verständlich zu machen. Komplexe Sätze und zu viele Fremdwörter sollten in diesem Zusammenhang vermieden werden.
Nicht nur der Inhalt, sondern auch der Aufbau sollte simpel und verständlich gehalten werden. Die Navigation sollte auch visuell die Struktur der Menüpunkte darstellen. Da auch im Bereich des Gedächtnisses eine kognitive Störung vorkommen kann, muss darauf geachtet werden, dass Besucher einer Webseite durch die verschiedenen Seiten „gelotst“ werden und ihnen Hilfestellungen zur Verfügung stehen. Links sollten immer einen Namen haben, der Bezug zum Ziel aufweist.
Auch alle anderen Texte, die nicht klickbar sind, sollten eine bedeutungsvolle Bezeichnung bekommen. Um auch Menschen mit Legasthenie zu berücksichtigen, sollten Eingabefelder in Formularen, auch Sucheingabefelder, eine automatische Rechtschreibprüfung beinhalten bzw. Verbesserungen vorschlagen.
Technisch bedingte Barrieren
- Eine technische Barriere ist beispielsweise die Browserkompatibilität. Wenn eine Webseite einen bestimmten Browser (oder eine Browserversion) für die Darstellung der Inhalte vorschreibt, kommt es zur Einschränkung einiger Nutzer, die zum Beispiel durch ihr technisches Umfeld keinen Zugriff auf den vorgeschriebenen Browser haben. Auch andere vorgeschriebene Kompatibilitäten, beispielsweise mit Ausgabemedien (Monitore, Drucker, Braillezeile, etc.), können manche User benachteiligen.
- Viele User verzichten auf Scriptsprachen wie JavaScript, da diese Sicherheitsprobleme darstellen können. Wenn allerdings durch eine Webseite die Notwendigkeit entsteht, eine clientseitige Scriptsprache zu aktivieren, um eine fehlerfreie Darstellung und Navigation zu erhalten, entsteht eine Barriere für eben genannte User. In Büros, Schulen und Internetcafés ist eine Aktivierung der Scriptsprachen oft aus Sicherheitsgründen nicht möglich.